21 Samurai
Ein Buch von Dr. Gubacsi Attila und Barta Balázs
Interview mit Lajos Kassai
ISBN 978-963-06-7352-5
Lajos Kassai
Bogenschiessen vom Pferd
Begründer der Kampfkunst
„Der Meister, der zwei Leben lebt, ist auf dem falschen Weg. Wenn du dein Gesicht wechseln musst, um im Geschäft hundert Gramm Salami zu kaufen, solltest du mit dem Fleischer den Platz tauschen.“
Gegenüber dem Eingang
Wir haben tatsächlich gestritten. Das Interview erhielt seine endgültige Form per E-Mail, ich sandte eine Reihe von vorbereiteten Fragen und erhielt eine fertige Reihe von Antworten. Briefe und Telefonanrufe folgten, aber der Text blieb derselbe. Um Lajos Kassai, den Begründer der Kunst des berittenen Bogenschiessens, zu zitieren: „Wenn du mit einem Satz antworten KANNST, dann MUSST du mit einem Satz antworten.“ Wir können nur hoffen, dass der Leser mit den Doppeldeutigkeiten umgehen kann und dass er hinter den Sätzen dasjenige liest, was er möchte. Ich verstand das Argument, war aber damit nicht einverstanden, verstand auch nicht, wie es dazu kam, dass ich auf dem Feldweg, der zum Kassai-Tal führt, ein wenig unentschieden war. Und das vor unserem ersten Treffen und letzten Abstimmen des Textes. Ich konnte einfach meinen Weg dorthin nicht finden.
Das Auge kann die fünfzehn Hektar nicht erfassen. Das langgestreckte Kassai-Tal ist überzogen mit Waldstücken, Seen, Zäunen, Trainingsplätzen für die Pferde, Stallungen und Pfaden, zu schmal, um sie wahrzunehmen. Zu weit für die Füsse, um es zu durchmessen. Die Pferde auf den Hügeln, die Vögel in den Apfelbäumen, die Frösche in den Seen, eine Wiederholung des gestrigen Morgens, dasselbe frühlingshafte Wetter, wenn man dem Führer aus dem Dorf glauben mag.
Als Lajos Kassai das erste Mal hierher kam, sah er nur das Pferd, das mit ihm durchgegangen war und ihn in einem wilden Lauf hierher gebracht hatte. Inzwischen ist aus dem Tal ein durchorganisiertes Anwesen geworden. Inmitten der Wildnis ein Gebäudekomplex bestehend aus Haus, Schule und Ver-sammlungsraum. Sähe ich das auf einer Postkarte, würde ich den Künstler preisen, aber auf der Spitze dieses Hügels kannst du nur den Schöpfer preisen, und den Besitzer des Anwesens.
„Es ist nicht mein Leben, das das Leben der Pferde entscheidet, ihr Leben entscheidet über meines.“ Auch wenn dieser Satz nicht ausgesprochen worden wäre, ich würde dennoch wissen, dass er wahr ist. Es genügt völlig, sich in diesem Reich umzusehen – überall Friede und Harmonie, wir sind inmitten des Lebensglücks.
Natur erzeugt immer Perfektion, nichts geschieht ohne Absicht und unsere Vorfahren wussten das. Lajos Kassai weiss das auch. Deshalb nimmt er aus der Geschichte, deshalb lebt und denkt er wie unsere Vorfahren. Das Wissen um ihre Geschichte und der Respekt vor ihrem Wissen brachte das Bogenschiessen vom Pferd ins Leben. Ein Sport, eine Kampfkunst, aber im Wesentlichen ein besonderer Weg zu leben.
„Spürst du den Geist des Friedens? Nun, dieser Geist hielt mich hier und meine Pferde spüren das auch.“
Über das Kämpfen
Haben alle Kampfkünste den gleichen Ursprung?
Krieger werden nur diejenigen, die zum Krieger geboren sind. Der Krieger ist ein alter Archetyp, deshalb haben alle Kampfkünste denselben Ursprung. Die Macht der Umstände entscheidet über den Kampfstil. Deshalb sind all die auf dem falschen Weg, die glauben, in den Ähnlichkeiten der Kampfstile läge die Bedeutung des Seins des Kriegers.
Wie beschreibst du den ungarischen Kampfgeist?
Der Kampfgeist einer Nation wird bestimmt durch ihr Verhältnis von Leidenschaft und Klugheit auf der Höhe ihrer Macht. Unsere Führer trafen ihre Entscheidungen mit kühlem Kopf und kämpften heissblütig. Die Ursache aller Fehlschläge lag darin, dass die Leidenschaft die Nüchternheit in den Hintergrund drängte.
Wie kann das auf die heutige ungarische Realität angewandt werden?
Schauen wir auf die politische Realität!
Ist da noch etwas in uns übrig geblieben von unserem alten Geist?
Wenn der Geist eines Volkes krank wird, dann degeneriert eine Nation zu Leuten. Wenn die Situation schlimmer wird, wird aus den Leuten die Masse. Dann lieben die Bürger das Geld und die Soldaten fürchten den Tod. Gute Lehrer unterrichten nicht mehr und es wird zur Schande, Polizist zu sein. Das Zeitalter, in dem wir leben, katapultiert uns in immer grössere Höhen der Zivilisation, während die Kultur in den Abgrund sinkt. Der Mensch, der die Kampfkunst übt, die einst ein Werkzeug war, Blut zu vergiessen, muss eine immer grössere Rolle darin einnehmen, die menschlichen Werte zu retten, bevor sie zwischen den Hügeln der heutigen Gesellschaft verloren gehen. Gibt es eine grössere Herausforderung als die, ein Stück unserer verschwindenden Moralität zwischen die Zähne zu nehmen und durch dieses furchtbare Jahrhundert zu schleppen?
Was kannst du aus deiner Kampfkunst erfolgreich in dein eigenes, in dein Alltagsleben übernehmen?
Wenn du richtig Karate üben willst, musst du ein wenig zum Japaner werden. Wenn du Kung Fu richtig machen willst, musst du ein wenig Chinese werden. Mit dem berittenen Bogenschiessen blieb ich dort, wo ich geboren wurde: ein Ungar. Die kulturellen Wurzeln meiner Kunst reichen so tief, dass nur mehr wenige Menschen diese noch haben.
Wie siehst du das Verhältnis zwischen traditionellen und modernen Kampfkunststilen?
Als Jigoro Kano mit Judo begann, war er modern. Als Morihei Ueshiba Aikido schuf, war er sehr modern. Als Gichin Funakoshi Karate erfand, war er modern. Buddha war so modern, dass er es heute noch ist. Lass dich nicht von den alten, bärtigen Aposteln auf den Ikonen verunsichern, in der Zeit Jesu waren sie in ihren Zwanzigern und machten Revolution. Jede Tradition startete als Reform, und jeder Orthodoxe vergisst das.
Über Philosophie
Können wir über das philosophische System in deiner
Kampfkunst sprechen?
Was sind seine wichtigsten Elemente?
Im Grunde erschuf die Menschheit zwei grosse Kulturen: die östliche und die westliche. Der Westen brachte das wissenschaftliche Denken hervor, grosse Wissenschafter und Entdecker. Diesem Umstand verdanken wir die Weltsicht der technischen Zivilisation, die uns umgibt. Der Westen unterwarf die materielle Welt und wurde ihr Sklave. Der Osten begann in der entgegengesetzten Richtung und warf sich selbst in die Tiefen der Seele. Dort gab es keine Wissenschafter, sondern Erleuchtete. Sie behaupteten, die materielle Welt wäre nur eine Illusion und arbeiteten daran, sich von dieser Illusion zu befreien. So wurde der Reichtum der Seele ihr Reichtum, ebenso wie die materielle Armut, während der Westen inmitten des materiellen Reichtums völlig seelenlos wurde.
Wie ist das im Bogenschiessen verwirklicht worden? Der Westen etablierte das Olympische Bogenschiessen, das sehr erfolgsorientiert ist. Die neuesten technischen Entwicklungen wurden hier eingesetzt, Stabilisatoren, verschiedenste Visiereinrichtungen, und die Resultate verbesserten sich! Kein Mensch schoss jemals so genau über so grosse Entfernungen! Die grosse Frage ist: Wie viel Erfolg für den Schützen, und wie viel für die Technologie? Das Zen-Bogenschiessen, das Kyudo verkörpert den östlichen Geist. Die Hauptsache ist es hier, innere Harmonie zu erreichen. Es wird von komplizierten Ritualen begleitet und nicht in der Hauptsache bestimmt von der Erreichung von Resultaten. Ich begann meine Karriere als Bogenschütze im westlichen Stil, später lernte ich Zen-Bogenschiessen in Japan, in Kamakura. Ich schätze beides und ich habe von beidem eine Menge gelernt. Ich erkenne heute, dass man beides kennen sollte, beide Welten kennen muss, die materielle und die spirituelle, seelenvolle. Durch das berittene Bogenschiessen erkenne ich die Notwendigkeit, uns zweigleisig vorwärts zu bewegen, hin zu unserem inneren Selbst und zur äusseren Welt. Für dieses Bild der Philosophie des berittenen Bogenschiessens steht der Zentaur.
Denkst du, dass es für den Schüler wichtig ist, die
Lehren hinter den Regeln zu erkennen?
Und warum?
Wenn die Lehren dahinterstehen, sind sie nichts wert. Stell dir eine Pferdekutsche vor, mit kraftvollen Pferden und einem tüchtigen Kutscher. Die Pferde stehen für unsere Gefühle und unsere Emotionalität, der Kutscher steht für unser Denken, die Kutsche ist unser Körper. Nun spielen wir mit dem Gedanken, und stellen uns zwei dünne, unterernährte Gäule vor, einen dummen Kutscher und eine gebrechliche Kutsche. Jeder einzelne dieser Faktoren ist genug, um unser Leben von der Geburt bis zum Tod auf einer Strasse voller Schlaglöcher zu führen. Wenn du dir die Menschen ansiehst, merkst du, dass jeder mehr oder weniger Probleme mit seinem karmischen Kutscher hat. Aber bevor wir zu tief in die Untersuchung unserer Umgebung versinken, schauen wir kurz in uns selbst hinein! Was sehen wir vor uns? Müde, alte Pferde oder solche, die vor Kraft strotzen? Rollt unsere Kutsche leicht dahin, oder nur auf rostigen Rädern, denen die Speichen fehlen? Und wir, die wir nüchtern auf dem Kutschbock sitzen, können wir klar sehen, wenn wir uns selbst betrachten?
Wie können wir die Lehren in unserem täglichen Leben verwenden?
Wenn wir glauben, es gäbe ein anders als das tägliche Leben, sind wir auf dem falschen Weg. Wenn wir Lehren haben, die dazu nicht passen, gehören sie auf den Misthaufen.
Gibt es Fortschritte? Oder sind die Jahrhunderte alten Schriften unhinterfragbar?
Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte von Kriegen. Die Effizienz des Kampfes steigt immer weiter an, aber die Regeln des Kampfes haben sich über die Jahrhunderte nicht verändert.
Meinst du, dass du eigene Lehren schaffen konntest?
Ich war immer ehrgeizig genug, meine eigenen Lehren zu schaffen. Jedes Mal entdeckte ich später, dass es schon jemand vor mir getan hatte.
Über den Stil
Was sind die Eckpfeiler, die Grundmauern des von dir entwickelten Stils?
Das Pferd und der Bogen. Das Pferd ist die Verbindung zur äusseren Welt, der Bogen ist ein möglicher Weg in die Tiefen unserer inneren Welt. Der Schüler übt zunächst beides getrennt, ab einem bestimmen Niveau schweisst er es zusammen, dann entsteht das Bogenschiessen vom Pferd.
Mit den ersten hundert Punkten lernt man die korrekte Handhabung des Bogens und das Reiten, das Fundament.
In der Phase von einhundert bis zweihundert Punkten schweisst man das Reiten und das Bogenschiessen aneinander.
Zwischen zweihundert und dreihundert Punkten erwacht der Zentaure zum Leben, wir erleben die Einheit, sie wird zu einem untrennbaren Teil unseres Selbst.
Über dreihundert Punkten ist die Ebene der Sas. So wurde die militärische Elite der Hunnen genannt – die Adler-Krieger. Der Platz für Seele und Spiritualität.
Wenn du deinen eigenen Stil jemandem empfehlen müsstest, wie würdest du das tun?
Ich könnte Zahnpasta empfehlen, auch ein Reinigungsmittel. Der Meister aber, der seinen eigenen Stil empfehlen muss, verliert die Bedeutung des Kriegerseins.
Welche Fähigkeiten und Talente sind nötig, um das Bogenschiessen vom Pferd zu lernen?
Talent und Fleiss. Ein talentierter Schüler ohne Fleiss ist armselig. Ein fleissiges Antitalent ist erträglich. Ein fleissiger Idiot macht dein Leben zur Hölle, ein talentierter Bösewicht macht es bitter.
Warum hast du diese Form der Kampfkunst gewählt?
Ich habe sie nicht gewählt, sie hat mich gewählt.
Wie verbreitet ist sie zu Hause und anderswo?
Im Moment ist die Kassai-Schule in den folgenden Ländern vertreten: Ungarn, Deutschland, den USA, Österreich, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Grossbritannien, China, Griechenland und Bulgarien.
Heutzutage gibt es von allem im Überfluss, man muss sich den Regeln der Welt rascher anpassen als früher. Angesichts dessen, wie siehst du die Zukunft deiner Kampfkunst?
Die Gründer denken, die Nachfolger erinnern sich – auf diese Art geht die Zeit mit der Kampfkunst um. Wenn das Leben langsam ist, langsamer, wenn es schnell ist, schneller. Wenn ein System unfähig zum Wandel ist, stirbt es. Nur ein Mensch, der in seiner Gegenwart lebt, kann Grosses erschaffen. Wer seiner Zeit voraus ist, wird nur nach seinem Tod leben. Wer seiner Zeit hinterher hinkt, ist ein lebender Toter.
Wie verändert das jahrelange Üben der Kampfkunst den Menschen?
Zwei Männer sitzen unter einem Baum. Der eine ist der Meister, der andere der Schüler. Der Meister schweigt, der Schüler hört auf des Meisters Schweigen. Der Schüler ist sechzig, der Meister ein Junge. Wie sehr sie die Kampfkunst verändert, hängt davon ab, wie weit sie bei ihrer Geburt waren, manche mehr, manche weniger. Die physische Kraft und das technische Wissen können bis ins Unendliche erweitert werden.
Woher kommt die Motivation, woher die Kraft, die Kampfkunst bis zur Perfektion zu lernen?
Die Quelle der Kraft ist so tief verwurzelt, dass mein Gehirn sie nicht wahrnimmt, nur meine Seele kann sie sehen und nur Gott sieht meine Seele.
Da waren etwa dreissig Menschen. Sie kamen aus einer Schule der Region, um eine ausserordentliche Geschichtsstunde zu hören. Sie gingen eine Strasse hinauf und waren im Tal. Sie waren einen Augenblick lang unentschlossen, ob die Mädchen auf die linke oder rechte Seite der hundertsiebzig Jahre alten Jurte gehen sollten, die auf dem Hügel steht. Lajos Kassai löste das Problem: Nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatten, schickte er die Mädchen auf die rechte, die Jungen auf die linke Seite, wo sie sich auf die niedrigen Bänke setzten. Gegenüber dem Eingang sitzt das Oberhaupt der Familie. Er erzählt von den Zeiten, als die Ungarn noch Nomaden waren, der Steppe, dem Leben der Menschen der Ebenen Asiens. Warum die Stämme von Ost nach West zogen, warum die Frauen die Jurten bauten, warum da keine Betten um uns sind, nur gefaltete handgewebte Decken.
Es geschieht nichts Besonderes, wir lernen einfach. Später, als wir im Wohnzimmer um den unregelmässig geschnitzten Tisch sitzen, erzählt er über die Menschen in diesem Buch, die nicht nur Kämpfer, sondern auch Lehrer sind. Der Kämpfer arbeitet und baut auf, aber der Lehrer zeigt auch den Weg. Durch sein Leben und seine Taten, die immer besseren Resultate seiner Schüler, während er die Ordnung aufbaut, die den Kämpfern die Möglichkeit gibt, zu lernen. „Lehrer und Kämpfer …, diese beiden darf man nicht verwechseln!“
Über die Meister
Wer sind diejenigen, denen du den meisten Dank schuldest? Die, die im Grunde deine Einstellung in Bezug auf deine Kampfkunst definiert haben?
Ich kann sie nicht alle auflisten, das Schicksal hat mich mit so vielen hervorragenden Menschen zusammengebracht, von denen ich lernen konnte, auch meine Schüler.
Wie siehst du die Meister-Schüler-Beziehung?
Die Meister-Schüler-Beziehung ist eine über die Jahrtausende verfeinerte Ordnung, deren Zweck die optimale Weitergabe des Wissens ist. In den Kampfkunstschulen nennen wir diejenigen Meister, die durch ihre Studien dieses Niveau erreicht haben. Aber der MEISTER ist mehr als das. Er ist derjenige, der den Wert verkörpert und an den Einzelnen weitergeben kann, ohne jede persönliche Verbrämung. Durch das Lernen kannst du nur einen Teil des Wissens erwerben, der Rest muss dich gelehrt werden, weshalb es keinen Meister ohne Schüler geben kann. Der Wissensfluss kann niemals nur in eine Richtung strömen. Die Atmosphäre einer guten Schule wird getragen vom Fluss der Erfahrungen vom Meister zu den Schülern und von den Schülern zum Meister. Die Impulse, die nur in eine Richtung gehen, sind der Tod der Ordnung. Der Wert des Meisters liegt nicht in seinem brillanten Wissen, sondern in der Qualität seiner Schüler. Nachdem es die Pflicht des Meisters ist, sein gesamtes Wissen weiterzugeben, ist es sein Recht, zu wählen. Nur Narren werfen Perlen vor die Säue. Meidet den Krug, der auf dem Kopf steht, wir können ihn nicht füllen. Meidet den durchlöcherten Krug, ganz egal, wie viel ihr einfüllt, es wird wieder herauslaufen. Meidet den vergifteten Krug, er sucht in den Lehren nur das, was er für seine eigenen Zwecke gebrauchen kann.
Die Kampfkunst ist keine demokratische Institution. Bist du damit einverstanden? Bist du der Meinung, dass Effektivität nur durch „die rigiden Regeln der Ordnung“ erreicht werden kann?
Nur weil eine Ordnung nicht demokratisch ist, muss sie nicht notwendigerweise steif sein. Nebenbei, die höchste Freiheit kann nur erreicht werden, wenn wir den Regeln makellos folgen.
Wie würdest du dich selbst als Meister und als Schüler charakterisieren?
Ich sehe mich selbst nicht als Meister, aber ich sehe die Möglichkeit, einmal einer zu werden. Ich bin dankbar, dass ich meinen Schülern dienen kann, und ich bin stolz darauf, ihnen ein Beispiel zu sein.
Denkst du, dass der Weg, das Wissen weiter zu geben, in allen Kampfkünsten derselbe ist?
Die Regeln sind dieselben, aber der Weg ist verschieden – in den Künsten und in den Personen.
Was ist dieser besondere Weg in deiner Kampfkunst?
Das Pferd soll dich das Reiten lehren, der Bogen das Schiessen. Meine Pflicht ist es, den rechten Geist und die richtige Umgebung dafür zu schaffen. Das Zentrum der Kampfkunst, das ich geschaffen habe, ist der Ort, der diesen Willen enthält.
Über Wettkämpfe
Was denkst du darüber, dass manche der Künste zu Sportarten geworden sind?
Über die Techniken des Tötens zu sprechen, ist schwierig, schon gleich, sie in einen Sport zu verwandeln. Dazu müssen wir entweder das technische Repertoire vermindern oder eine Schutzausrüstung verwenden. Damit verlieren wir das meiste unserer Ausstattung und die spirituelle Essenz der Kunst verschwindet in der Konsumgesellschaft unserer Tage. Aber das soll die Sorge derer sein, die diese Art von Aktivität pflegen. Mit dem Bogenschiessen vom Pferd verhält es sich völlig anders. Es gibt hier keine scharfe Trennungslinie zwischen dem Sport und der Kampfkunst. Der Weg der Vorbereitung hat sich in Jahrtausenden nicht geändert. Auch unsere Vorfahren nutzten Zielscheiben in ihrem Training. Diese Ziele kann man mit ein wenig Erfindungsreichtum so vielfältig nutzen, dass man den echten Krieg darstellen kann. Und nachdem sich auch die Natur des Pferdes nicht verändert hat, ist dessen Vorbereitung die gleiche wie vor tausend Jahren.
Wie schätzt du die Wichtigkeit von Wettkämpfen ein?
Vorführungen und Wettkämpfe gefährden die Techniken des berittenen Bogenschiessens nicht, aber sie gefährden seinen Geist, wenn die Vorführungen Darstellungen der Selbstwichtigkeit werden und die Wettkämpfe zu Rennen. Ich denke, wenn diese Dinge in geordneten Bahnen ablaufen und nicht abweichen, sind sie der richtige Weg. Lassen wir sie weg, verlieren wir die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und den Charakter zu formen. Ob du keusch sein kannst, erweist sich im Bordell, nicht im Kloster.
Ist es möglich, das Wissen der Kampfkunst messbar zu machen? Verlierst du nicht die Essenz durch die Regeln des Sports?
Nennst du dich selbst einen Krieger, musst du bereit sein, dein Leben lang zu kämpfen. Die Wettkampfsituation eliminiert die selbsternannten Propheten der Kampfkunst. Weil sie Angst davor haben, gemessen zu werden. Sie flüchten schreiend in den Elfenbeinturm ihrer falschen Lehren und fürchten jedermann, der ihre intellektuelle Selbstbefriedigung stört.
Würdest du an Wettkämpfen teilnehmen? Würdest du dich „messen“ lassen?
Ein Wettkampf ist für mich nur ein Stück vom Kuchen. Brecht sagte, dass Schmutz ein Material wäre, das nicht an seinem Platz sei. Nicht anders ist es in der Kampfkunst und in den anderen Bereichen meines Lebens – die Dinge sollten an ihrem Platz sein und im richtigen Verhältnis stehen.
Über den Alltag
Denkst du, dass populäre Figuren wie Filmstars oder Prominente der Boulevard-Presse wichtig sind, um die Kunst populär zu machen?
Das Problem ist nicht, sie populär zu machen, sondern die Art und Weise, wie es gemacht wird. Wenn ich nicht selbst meine Kunst populär gemacht hätte, wäre sie heute nicht weltweit bekannt. Weniger Menschen würden die ungarische Kultur kennen und ich hätte weniger Freunde.
Geld, Geld, Geld
Wenn ich das Geld benutze, ist das in Ordnung. Wenn mich das Geld benutzt, dann ist das schlecht. Wenn ein Meister für Geld unterrichtet, ist das kein Problem. Wenn ein Meister vom Geld seiner Schüler abhängig wird, dann ist das ein grosses Problem.
Erzähle uns eine Anekdote aus deiner Karriere
Wenn ich ein Pferd aus einer Herde ausgewählt habe, das noch nie ein Mensch berührt hat, und es bei meiner Annäherung davon flattert wie ein Blatt Papier im Sturm. Wenn wir dann beginnen, mit einander zu arbeiten und es eines Tages, wenn es mich kommen sieht, auf mich zukommt und mir seinen Kopf auf die Schulter legt, dann ist das der Moment, für den sich alle Anstrengung gelohnt hat. Es ist schön zu sehen, wenn ein Schüler nach Jahren der Anstrengung seine Pflichten erfüllt und sich verbessert. Aber das Schönste ist, wenn wir eines Tages zu Gefährten werden.
Worauf bist du stolz?
Am stolzesten bin ich auf meine Schüler und ich kann dem Leben nicht genug danken, dass es mich mit solch vortrefflichen Menschen zusammengebracht hat.
Wenn du wiedergeboren würdest, würdest du gerne hierher zurückkommen?
Das soll Gott entscheiden, wo ich geboren werde.
Wie ist der Privatmensch und wie ist der Meister?
Der Meister, der zwei Leben lebt, ist auf dem falschen Weg. Wenn du dein Gesicht wechseln musst, um im Geschäft hundert Gramm Salami zu kaufen, solltest du mit dem Fleischer den Platz tauschen.
Die Knoblauchrahmsuppe auf dem unregelmässigen Holztisch im Wohnzimmer wartet darauf, dass wir die Brotstücke aus der Bäckerei in Kaposmerö eintunken. Nach einer langen Rede sage ich schliesslich:
„Wir sitzen jetzt seit zweieinhalb Stunden hier und ich habe dich nicht einmal lächeln gesehen.“
„Weil nichts Lustiges passiert ist, deshalb.“
Ich flüchte mich ins Eintunken, wahrscheinlich ist mein Vater der letzte gewesen, der mich dermassen auf meinen Platz verwiesen hat. Ich suche nach Worten. Ich bin ein wenig verwirrt, weil ich der Wahrheit noch nicht näher gekommen bin und das auf eine dumme Art gezeigt habe. Das ist eine schwierige Aufgabe. Du kommst, hast Dinge gehört und von Dingen gelesen, du hast dich freiwillig gemeldet, um zehn Seiten über etwas zu schreiben, das zu erreichen dein Gastgeber ein Lebensalter investiert hat. Ich fühle die Unlösbarkeit der Aufgabe.
Was denkst du, haben die Menschen in dem Buch gemeinsam?
Nicht die Lehren machen einen Meister aus, sondern dass er nach ihnen lebt. Es gibt eine Gemeinsamkeit der Menschen in Buch: Sie sind alle Krieger-Archetypen. Daneben ist alles sekundär.